Interview mit dem swhv THS-Obmann Martin Hess
Neben spannenden Hundesportlern rückt dieser Blog auch die Menschen ins Rampenlicht, die oft im sportlichen Hintergrund bleiben. Ohne Trainer, Leistungsrichter und Funktionäre wäre unser geliebter Hundesport schlicht nicht möglich. Ich persönlich ziehe meinen Hut vor dem ehrenamtlichen Engagement, das so viele Menschen in Vereinen und Verbänden einbringen, um unsere Sportarten mit dem Hund zu ermöglichen.
Deshalb freue ich mich besonders, Martin Hess – den Obmann für Turnierhundsport (THS) des Südwestdeutschen Hundesportverbands (swhv) – interviewen zu dürfen. Erfahrt spannende Einblicke hinter die Kulissen, lernt Martin Hess als Hundesportler kennen, und nicht nur als THS-Obmann, und lasst euch inspirieren von seinen Ideen, wie man den Turnierhundsport noch attraktiver machen kann.
Seid gespannt auf eine neue Perspektive und auf Geschichten, die unseren Sport aus einer ganz neuen Sicht zeigen. Viel Freude beim Lesen dieses besonderen Interviews!
Hallo Martin, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie immer zum Einstieg: Erzähle uns doch bitte etwas über dich. Wie lange machst du Hundesport? In welchen Sportarten warst/bist du aktiv? Welche kleinen und großen Erfolge konntest du im THS verbuchen?
Ich mache Hundesport seit 1989. Ursprünglich bin ich dazu gekommen, weil ich hin und wieder Geländeläufe als Ausgleich zum Fußball absolvieren wollte. Mit unserem Familienhund, der bereits zuvor von meinem Bruder im Turnierhundesport geführt wurde, habe ich begonnen.
Ich bin bei einem Verein gelandet, bei dem im Vergleich zu vielen anderen Vereinen, der
Gebrauchshundesport und Turnierhundesport miteinander harmoniert haben und die aktiven Mitglieder eigentlich beide Sportarten trainiert und geführt haben.
Nach ein paar Geländeläufen wollte ich auch mal einen Vierkampf ausprobieren. Dieser klappte mit 265 Punkten schon recht gut, aber ich habe ziemlich viele Fehler gemacht. Das wollte ich korrigieren und hatte 3 Wochen später schon 281 Punkte. Unser damaliger Trainer, der alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gab und auch lange Jahre den Rekord im VK hielt, wurde darauf aufmerksam und hat mir Einzeltraining gegeben, um meine Technik im Hürdenlauf und Slalomlauf zu optimieren. Dieses Training hat den Ehrgeiz geweckt, um einen für mich perfekten VK laufen zu können, bei dem ich auf 283 Punkte hätte kommen können. Bei Turnieren war es immer mein Ziel, dieses Ergebnis zu erreichen, Platzierungen waren für mich eher zweitrangig.
Im Jahr bin ich bestimmt auf ca. 20 Wettkämpfen gestartet und durfte mich über einige Tagessiege freuen. Zu der Zeit wurde der Tagessieger noch regelmäßig geehrt. Heute leider kaum bis gar nicht mehr. Auch beim CSC der etwas später ins Leben gerufen wurde, waren wir sehr erfolgreich. Leider gab es zu der Zeit nur alle paar Jahre mal eine Deutsche Meisterschaft oder swhv-Meisterschaft. Leider war ich nur auf 2 solcher Veranstaltungen dabei. Einmal im VK der zwar sehr ordentlich, aber nicht perfekt war und mit dem zweiten Hund den ich später im THS geführt hatte im CSC. Dabei gelang uns auch der Sprung aufs Siegerpodest. Das sind auch heute noch sehr schöne Erinnerungen.
Warum ist der THS für dich eine ganz besondere Sportart?
Der THS ist besonders für mich, weil er viele Aspekte miteinander verbindet. Er fördert sowohl die Geschicklichkeit und Fitness des Hundes als auch die des Hundeführers. Zudem bietet der THS ein abwechslungsreiches Sportprogramm, das für alle Hunde etwas Passendes bereithält.
Du bist, seit ich im THS aktiv bin, beim Südwestdeutschen Hundesportverein (swhv) Obmann für den Turnierhundsport. Also schon eine kleine Ewigkeit. Wie kam es dazu, dass du dich als Funktionär für unseren Sport einsetzt? Und an der Stelle vielen lieben Dank dafür!
Das ist eine gute Frage! Ich fühle mich nicht wirklich als „geborener Funktionär“. Nach einigen Jahren im THS habe ich mich bei einem Wettkampf über eine Entscheidung eines Turnierhundesportbewerters so sehr geärgert, dass ich mich am selben Abend informierte, was nötig ist, um mich selbst als Bewerter ausbilden zu lassen. Ich schrieb sofort meine Bewerbung und absolvierte die Ausbildung, motiviert, es besser zu machen.
Sieben Jahre später rief mich mein Vorgänger an und teilte mir mit, dass er aus privaten Gründen sein Amt niederlegen muss. Er dachte an mich als sein Nachfolger, da ich als Bewerter in den Vereinen wohl ganz gut ankam. Das war für mich ein großes Kompliment, aber ich war auch skeptisch, ob ich der Aufgabe als Obmann gewachsen bin. Nach einigen Gesprächen mit unserer Verbandsvorsitzenden entschloss ich mich 4 Monate später, diesen Schritt zu wagen. Mein Ziel war es, dem Sport positive Impulse zu verleihen und die Teilnehmerzahlen zu steigern — dass das in manchen Gremien schwierig sein könnte, war mir zuvor nicht bewusst.
Häufig höre ich, dass „der Martin jemand ist, der sich für die Sportler einsetzt“. Ein tolles Kompliment. Warum sind dir die Anliegen der Sportler besonders wichtig? Bzw. woran hapert es, dass sich die Sportler teilweise nur bedingt gehört fühlen?
Vielen Dank für dieses schöne Kompliment, das freut mich sehr. Die Anliegen der Sportler
sind mir besonders wichtig, weil sie das Herzstück unseres Sports verkörpern. Nach über 20 Jahren in meiner Funktion als Obmann habe ich nicht vergessen, wie ich zu dem Amt komme, dass die Vereine mich auf unseren Verbandstagen wählen, um ihre Interessen und Meinungen auf einer höheren Ebene zu vertreten. Der Austausch mit den Sportlern ist für mich entscheidend, um ein umfassendes Meinungsbild zu erhalten und ihre Anliegen angemessen zu vertreten. In Gesprächen mit Sportlern erhalte ich häufig wertvolle Perspektiven, die mir in den Sitzungen des Deutschen Hundesportverbands (dhv) und des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) von großem Nutzen sind.
Zur zweiten Frage: Oft sind die Sportler bei diesen Sitzungen nicht vertreten und sind daher nicht über die laufenden Diskussionen informiert. Das kann zu Missverständnissen führen und oft hapert es an der Kommunikation. Es ist wichtig zu betonen, dass dies nicht aus böser Absicht geschieht. Die zeitlichen Einschränkungen, die mit einem Ehrenamt verbunden sind, erschweren den Austausch manchmal.
Leider neigen viele Sportler dazu, ihre Anliegen zuerst über soziale Medien zu äußern, anstatt den direkten Kontakt zu ihrem Kreisgruppen-Sportwart oder mir zu suchen. Dies führt oft zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen, bevor wir die Gelegenheit haben, auf ihre Fragen zu antworten. Ich ermutige jeden, mich direkt anzusprechen, wenn es offene Fragen oder Anliegen gibt. Ich bin stets bereit, ehrlich und mit fundiertem Wissen zu antworten, um Missverständnisse auszuräumen und den Dialog zu fördern.
Aus deiner Sicht als Obmann: Was wünscht du dir für den THS? Was benötigt es, um diesen Sport den großen Massen noch zugänglicher zu machen?
Als Obmann wünsche ich mir eine positive Entwicklung für den Turnierhundesport (THS).
Leider bin ich mit dem aktuellen Stand nicht zufrieden. In Deutschland gibt es so viele
Hunde, die mit Sicherheit für den THS begeistert werden könnten. Dennoch bleibt unsere Sportart außerhalb der Hundeplätze weitgehend unbekannt. Um dem entgegenzuwirken, haben wir im vergangenen Jahr im Südwestdeutschen Hundesportverband (swhv) einen Beisitzer installiert, der sich dem Thema Marketing widmet. Seine Aufgabe ist es, den THS im Internet sichtbarer zu machen, sodass Interessierte mit wenigen Schlagwörtern auf unseren Sport stoßen können.
Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass sich mehr aktive THS-Sportler bereit erklären, Anfängern beim Einstieg in den Sport zu helfen und sie beim Laufen zu unterstützen. Auf diese Weise könnten wir die Gemeinschaft stärken und neue Mitglieder gewinnen.
Welche Entwicklung siehst du generell im Hundesportbereich und speziell im THS eher
kritisch?
Eine kritische Entwicklung sehe ich in den Entscheidungen einiger Politiker und Ämter zur Tierschutzhundeverordnung. Hier bleibt abzuwarten, welche weiteren Maßnahmen folgen werden und wie sie unseren Sport beeinflussen könnten.
Auch die Ausbildung im THS ist ein Punkt, den ich als kritisch betrachte. Ich habe häufig beobachtet, dass im THS-Training Spaßparcours oft im Vordergrund stehen, während ein wettkampforientiertes Training nach der Prüfungsordnung (PO) häufig fehlt. Das ist zwar schön, trägt jedoch wenig dazu bei, die Hunde auf den Wettkampf vorzubereiten. Um eine solide Grundlage zu schaffen, halte ich einen fundierten Aufbau, Kenntnisse über die grundsätzliche Lerntheorie bei Hunden und ein gezieltes Training nach der PO für sinnvoll, damit die Hunde und ihre Halter bestmöglich auf den Wettkampf vorbereitet sind. Früher haben Trainer unterschiedlicher Sparten harmonischer zusammengearbeitet, was eine gezielte gegenseitige Förderung und optimale Wissenvermittlung ermöglichte – diesen Ansatz finde ich auch heute noch sehr wertvoll. Leider fehlt es häufig am Austausch, um beidseitig Trainingskompetenzen aufzubauen.
Zudem wünsche ich mir, wie schon erwähnt, dass engagierte Turnierhundesportler ihr
Wissen und ihre Erfahrungen an Anfänger weitergeben. Nur so können wir dem Sport zu positiveren Zeiten verhelfen. Viele Vereine, die früher aktiv im THS waren, bieten diese Sportart mittlerweile nicht mehr an. Ich bin überzeugt, dass ein Verein im THS nicht wachsen kann, wenn die Unterstützung und Anleitung von erfahrenen Sportlern fehlt, die ihr Wissen weitergeben können.
Neben dem Amt des Obmanns bist du selbst im IGP und Canicross aktiv. Was können THSler von diesen Sportarten lernen und umgekehrt?
Zunächst möchte ich betonen, dass man nicht alle Sportler einer Sportart über einen Kamm
scheren kann, aber ich habe dennoch einige Beobachtungen dazu. Die Übungen in der
Unterordnung (Fuß laufen, Sitz, Platz, Steh) sind sowohl im THS als auch im IGP identisch,
sowohl in der Aufgabenstellung als auch in der Bewertung. Im IGP wird den Hunden jedoch deutlicher vermittelt, was richtig und was falsch ist. Hier wird viel detaillierter gearbeitet, sodass die Hunde die Übungen freudig, aufmerksam und schnell ausführen, wie es auch die Prüfungsordnung verlangt.
Im THS sehe ich die Hunde zu oft in einem Graubereich, bei dem die Hunde die Übungen zwar ausführen, aber die Ausstrahlung darunter leidet was dann wieder zu Punktabzügen führt.
Im THS ist es immer wieder faszinierend zu sehen, wie die Hunde auch in einer hohen
Trieblage diszipliniert und mit viel Sozialverträglichkeit durchs Veranstaltungsgelände geführt
werden.
Ich kann auch jedem IGP-Sportler nur raten am Ende eines anstrengenden Trainings etwas Gerätetraining als Ausgleich zu absolvieren. Der Hund wird es danken.
Last but not least wie bei jedem Interview: Hast du eine Frage an mich?
Ja, ich würde gerne den Spieß umdrehen. Was fasziniert dich am THS und welche
Änderungen oder Entwicklungen hältst du für notwendig, um dem THS einen positiven
Impuls zu verleihen?
Ich komme ursprünglich aus der Leichtathletik. Schon früh trainierte ich leistungsorientiert im Landeskader und habe die Ansätze des Leistungssports sehr genossen. Als ich verletzungsbedingt aufhören musste, fragt mich eine Nachbarin, ob ich mit unserem damaligen Familienhund THS ausprobieren möchte. Nach meinem ersten Besuch auf dem Hundeplatz war ich sofort begeistert – Leichtathletik mit Hund? Perfekt für mich und unseren damaligen Border Collie Benni!
Schnell verband ich meinen Leistungssportgedanken mit dem THS-Training. Mit meinem ersten eigenen Hund, Maddox, habe ich fokussiert trainiert – und genau das macht für mich den Reiz im THS aus. Die Mischung aus vielseitigem Vierkampftraining, Unterordnung und sportlichen Disziplinen ist genau mein Ding. Auch das Eigentraining bereitet mir große Freude, denn so kann ich meine Leistungssportansätze im Rahmen des Hundesports weiterführen. Aber nicht nur die Vielseitigkeit der Disziplin THS-Vierkampf mag ich sehr, auch in Gänze bietet THS tolle Möglichkeiten mit dem Hund je nach sportlicher Vorliebe aktiv zu sein. Sei es im Staffellauf CSC, im Bereich des Ausdauersports Canicross und dem Mix aus Canicross und Vierkampf, dem Sprintvierkampf.
Umso mehr würde es mich freuen, wenn THS noch mehr Zuspruch erhalten würde, denn es ist für meinen Hund und mich einfach der tollste Sport der Welt! Was dafür nötig ist? Mehr Bekanntheit durch modernes Marketing (z.B. Social Media aktiv nutzen), Digitalisierung (z.B. digitale Meldungen, digitale Leistungsurkunden, Ergebnisse in Echtzeit), Internationalisierung (z.B. Europa- und Weltmeisterschaften, Kadertrainings der Verbände, Profis als Vorbilder, etc.) und attraktivere Wettkampfgestaltungen – insbesondere bei den Süddeutschen und Deutschen Meisterschaften. Dazu gehören zum Beispiel eine Moderation als Standard, Livestreams, Sportlerporträts, funktionierendes Equipment, mehr Eventcharakter für Zuschauer und kurzweilige Siegerehrungen. Das klingt jetzt alles sehr auf Leistungssportler ausgerichtet, ich bin aber sehr überzeugt davon, dass eine generelle Professionalisierung und Maßnahmen wie die eben genannten auch dazuführen, die Masse und den Breitensportler besser abzuholen.
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