Spannendes Interview mit Albrecht Heidinger Trainer, Funktionär und Sportler im Turnierhundsport

Interview mit Albrecht Heidinger Trainer für Turnierhundsport

Wenn ich über Interviewfragen und meinen Gesprächspartner nachdenke, frage ich mich oft, welche Überschrift das Gespräch tragen könnte und was meinen Interviewpartner besonders auszeichnet. Beim Gespräch mit Albrecht Heidinger war der Arbeitstitel schnell klar: „Facettenreichtum“. Denn so viele unterschiedliche Perspektiven auf unseren Sport, verbunden mit einem tiefen historischen Verständnis, erlebt man selten.

Albrecht Heidinger mit seinen Hunden im Turnierhundsport

Albrecht Heidinger vereint eine beeindruckende Bandbreite an Rollen im Turnierhundsport (THS): als ambitionierter Sportler, fördernder und fordernder Trainer sowie als leidenschaftlicher Funktionär. Diese Vielseitigkeit wurzelt sicherlich in der tiefen Verbindung seiner Familie zum THS. Die Familie Heidinger hat den Grundstein für diesen Sport in Deutschland gelegt. Von klein auf lebt Albrecht – gemeinsam mit seiner Familie – den THS mit voller Hingabe.

Ich selbst hatte die Gelegenheit, Albrecht zu Beginn meiner eigenen Zeit im Turnierhundsport bei einem seiner Seminare kennenzulernen. Besonders beeindruckt hat mich sein detailreiches, strukturiertes und analytisches Training, sein fundiertes Wissen über den THS und seine unerschütterliche Leidenschaft für diesen Sport. Albrecht verkörpert all diese Aspekte mit Überzeugung und bringt durch seine klare Haltung und sein Engagement immer wieder neue Impulse ein. Genau diese Eigenschaften machen ihn zu einer markanten Persönlichkeit des Turnierhundsports.

Das Interview habe ich thematisch nach Albrechts verschiedenen Tätigkeiten im THS gegliedert. Der erste Abschnitt widmet sich seiner Rolle als Funktionär, der zweite gibt Einblicke in seine Zeit als aktiver Sportler, und den Abschluss bilden Fragen zu seiner Arbeit als Trainer.

Vielen Dank, lieber Albrecht, für die spannenden und persönlichen Einblicke, die du uns in diesem Gespräch gewährst!

Fragen an Albrecht Heidinger in seiner Funktion als (ehemaliger) Funktionär im Hundesportbereich

Der Name Heidinger ist im THS-Bereich ein fester Bestandteil. Dein Vater hat entscheidend dazu beigetragen, dass der THS heute in seiner aktuellen Form existiert. Aus deiner Sicht: Welche bedeutenden Meilensteine haben die Entwicklung des THS besonders geprägt?

Historische Entwicklung des Turnierhundsport Hundesportler bei der Premiere des Combination-Speed-Cup (CSC) in der Stuttgarter Schleyerhalle

Die größte Leistung ist für mich die Entwicklung des Combination-Speed-Cup (CSC), weil Teams mit unterschiedlichen Stärken eine Mannschaft zum Erfolg führen können. Nicht umsonst ist er bei den Meisterschaften regelmäßig der Höhepunkt. Die Einführung des mehrstufigen Vierkampfes (2002) mit einer nach oben offenen Punktewertung sowie des Sprintvierkampf (S-VK) sind zu ihren Zeitpunkten sicherlich ebenfalls wichtige Meilensteine gewesen.

Ein weiterer Meilenstein – wenn auch nur indirekt – war, als 2007 die Bauchschnallung im Geländelauf bei Meisterschaften erlaubt wurde. Das ist ein Punkt, der bis heute kontrovers diskutiert wird. Denn ab da spielte die Zugleistung des Hundes eine entscheidende Rolle, der in bestimmten Kombinationen zwischen 45 und 60 Sekunden auf den Kilometer ausmachen kann. Das bricht mit der Kernidee des THS, hatte aber den Side-Effekt, dass die Annäherung (und jetzt Verschmelzung) mit den CaniCross-Disziplinen einfacher wurde. Um mich nicht falsch zu verstehen: Bei den absoluten Topteams kann auch der Hundeführer ohne Hund stark laufen, einige dahinter profitieren aber überproportional von der Zugkraft ihrer Hunde.

Deine Familiengeschichte scheint dich förmlich zur THS-Karriere zu verpflichten. Du setzt dich mit großem Engagement für die Weiterentwicklung des Sports ein, sei es als Trainer, Chronist oder Interessenvertreter über Vereinsgrenzen hinaus. Was motiviert dich, den THS weiter voranzutreiben?

Du blickst hier tatsächlich in die Vergangenheit, denn mit den Jahren 2022 und 2023 erfolgte eine Zäsur. Davor dachte ich, dass die Weiterentwicklung der Sportart, angefangen von der Durchführung von Wettkämpfen und Meisterschaften, bis hin zu Impulsen für die Gestaltung einer neuen PO, immer Teil meines Engagements sein sollten. Das ist sicherlich dem geschuldet, dass über viele Jahre hinweg die Diskussionen um Weiter- und Fehlentwicklungen des Hundesports und seiner Trainingsmethoden (fast) zum täglichen Thema zwischen meinem Vater, seinem Zwillingsbruder, meinem Bruder und mir waren.

Jetzt halte ich es mehr wie Dieter Baumann (Olympiasieger 1992 über 5.000 m und heute Vorstand der LAV Tübingen), der vor kurzem sagte, dass er allein nicht der Retter der Leichtathletik sein kann. Er versucht in seinem Rahmen zu wirken. Mein Fokus ist heute überwiegend auf den HSV Mühlacker und meine Trainingsgruppe gerichtet, dazu mache ich noch regelmäßig eine THS-Kolumne in der HundeWelt Sport.

Derzeit wird in der THS-Szene viel über die Internationalisierung des Sports diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema und welche Potenziale siehst du in der Weiterentwicklung auf internationaler Ebene?

Um unsere Spitzensportler zu halten, wäre die Internationalisierung ein wichtiger Meilenstein. Leider wurden in den letzten 35 Jahren dazu einige Züge verpasst, auf die man hätte aufspringen sollen. Meist lag es an verbandspolitischen Interessenskonflikten und mangelnder Weitsicht. Was passiert, wenn sich Verbände und Interessensvertreter gegenseitig blockieren, sieht man ja auch an der aktuellen Situation um die neue Prüfungsordnung. 

Ich bin davon überzeugt, dass die Idee des THS im Portfolio der vielen Hundesportarten international auch heute noch ihren Platz finden könnte. Um hier einen entscheidenden Schritt voranzukommen, bräuchten wir Leute, die unseren Sport in unsere Nachbarländer tragen und peu à peu eine Lawine ins Rollen bringen. Ausschließlich Top down – also vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) in die Fédération Cynologique Internationale (FCI)-Verbände – wird ein sehr langwieriger Weg.

Als Vertreter des THS und Trainer hast du sicher viele Meinungen und Rückmeldungen erhalten, sowohl positive als auch kritische. Wie gehst du mit Kritik um, und wie entscheidest du, welche Rückmeldungen du aufgreifst und welche du ignorierst?

Du sprichst hier unterschiedliche Ebenen an: So wie ich vorher beschrieben hatte, sah ich früher als „Vertreter des THS“ ein Stück weit mein Seelenheil in der Weiterentwicklung des THS. Gleichzeitig war die Familie Heidinger seit jeher auf unterschiedlichen Ebenen Zielscheibe für fiese, unfaire und persönliche Attacken.

Ich hatte diese negativen Begleiterscheinungen schon in früher Jugend zu spüren bekommen und deshalb war für mich klar, dass, sobald sich so etwas gegen meine Kinder richtet, bei mir eine rote Linie überschritten wird. Anders als bei meinem Vater steht bei mir die Familie auf jedem Fall über dem Sport, deshalb auch die Zäsur, von der ich vorher sprach. Es ist nicht lustig, seinen Kindern beibringen zu müssen, dass sie permanent wie unter einem Brennglas stehen und der nächste, unfaire Einspruch hinter jeder Ecke wartet. 

Interview mit dem Turnierhundsportler Albrecht Heidinger hier mit seinem Boxer beim Slalom

Eine andere Ebene ist tatsächlich Kritik: Wenn Dinge einmal nicht so laufen, dann bin ich wahrscheinlich selbst mein größter Kritiker und kann da auch offen damit umgehen. Für die swhv 2022 haben wir vom HSVM zum Beispiel versucht, für den Geländelauf (GL) die Zeiten direkt über die Zeitmessanlage zu erfassen, sie in Echtzeit ins Internet zu replizieren und die Daten anschließend in das Glatz-Programm (Achtung: hat nix mit dir zu tun, Bianca 😊) zu exportieren. Das Ziel war eine Lösung, die später jeder Verein mit seiner eigenen Zeitmessanlage nutzen kann und auf auch auf die anderen Disziplinen ausgeweitet wird. 

Mit 8 Wochen Vorlaufzeit war dieses Vorhaben zu ambitioniert. Das führte unter anderem dazu, dass die Ergebnisse des S-VK nachträglich nochmals korrigiert werden mussten wegen eines Formatfehlers. Den Fehler hatte ich zwei Tage später entdeckt und ich hatte dann empfohlen, damit offen umzugehen und nachträglich die Ergebnisse zu korrigieren. 

Es werden durchaus auch Themen an mich herangetragen, bei denen ich nach meiner Meinung gefragt werde und auch gerne dazu Stellung nehme. Das Konzept für den S-VK ist zum Beispiel nicht auf der grünen Wiese entstanden. Auslöser war vielmehr ein solcher Austausch in Kombination mit positiven Signalen seitens des VDH, im Jubiläumsjahr 2022 etwas Neues wagen zu wollen. Dazu sollte man wissen, dass sich solche Fenster nur in besonderen Konstellationen öffnen und nur von kurzer Dauer sind. Teile des S-VK basieren zum Beispiel auf einem Konzept von 2006, nur damals passte die verbandspolitische Großwetterlage nicht. Ich bin mir auch sicher, dass der S-VK ein Jahr später kaum realisiert worden wäre.

Es hatte sicherlich auch seine Gründe, warum CSC, Qualifications-Speed-Cup (QSC) und Shorty außerhalb der Verbandsstrukturen entwickelt wurden. Zu ihrer Zeit hätten die Konzepte sonst keine Chance gehabt.

Albrecht Heidinger beantwortet Interviewfragen zu seiner Zeit als aktiver Turnierhundsportler

Du bist nicht nur hinter den Kulissen des THS aktiv, sondern warst auch selbst als Sportler involviert. Kannst du uns etwas über deinen sportlichen Werdegang erzählen?

Mit 7 Jahren habe ich meine ersten Hindernisläufe gemacht, dann schloss 3 Jahre später der Geländelauf an. Mit 14 Jahren reaktivierte ich unseren 8-jährigen Boxer Derrick und machte die ersten Vierkämpfe (VK) sowie – zurückgestuft – in Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde (VPG) 1 282 und 290 Punkte. Im Jahr darauf erzielte ich mit dem Senior zwei Mal 282 Punkte im VK. 

Zu der Zeit habe ich auch mit der Leichtathletik angefangen, war dort über 15 Jahre lang aktiv mit Fokus auf den Langsprint und die Mittelstrecke und trainierte zweitweise in Trainingsgruppen mit deutschen und internationalen Topathleten. Leistungsmäßig gehörte ich dort eher zum hinteren Drittel, auch wenn meine Bestzeit über 1.000 m bei 2:31 Min. (ohne Hund!) liegt. Die läuferische Grundlage war dann natürlich auch im GL 2 eine wichtige Grundlage. Bei einer swhv hatte ich zum Beispiel 45 Sekunden Vorsprung auf den Zweitbesten.

Erst mit 17 Jahren habe ich mit dem Boxer Askhan meinen ersten eigenen Hund bekommen, den ich vom Welpen ab ausbilden durfte. Leider hatten wir nur 3 richtige Sportjahre zusammen, anschließend musste ich ihn aus gesundheitlichen Gründen aus dem Sport nehmen. In der Zeit hatten wir beispielsweise 13 Vierkämpfe in Folge über 280 Punkte, weil Askhan immer fehlerfrei blieb. Zudem erzielten wir in VPG III zwei Mal 288 Punkte. 

Turnierhundsportler Albrecht Heidinger 1993 auf dem Podest. Seit seiner Jugend ist er im THS aktiv.

Mit meinem nächsten Hund Ivo machte ich Mitte / Ende der 1990-iger Jahre zusätzlich noch Agility (Agi), nur ein Aufstiegspunkt fehlte zu A3, bevor ich aus zeitlichen Gründen die Kapitel Agi und VPG schloss. In dieser Zeit habe ich als Trainer begonnen und mir Gedanken gemacht, wie man das Training besser strukturieren kann. Dabei habe ich viele Aspekte, die ich von den Leichtathletik-Trainern kennengelernt hatte, mit in das Training einfließen lassen. Die von mir trainierten Teams erzielten bei Meisterschaften ab swhv und höher bereits rund 300 Medaillen.

Mein letzter Wettkampf war der Sieg bei der Verbandsmeisterschaft des Südwestdeutschen Hundesportverbands (swhv) 2013 im VK (283 Punkte) mit Boxer Rocky. Mein Ziel war mit ihm das Podest auf der VDH-Deutschen Meisterschaft gegen deutlich jüngere Konkurrenz. Rocky war ein Leihhund und leider hatte es Verwerfungen mit der Besitzerin gegeben, deshalb wurde dieses Kapitel vorzeitig beendet.

Welcher Moment in deiner sportlichen Karriere war für dich das persönliche Highlight im THS?

Der 1. Champions-Cup 1993. Das war die Vorläufer-Veranstaltung der VDH-DM im VK, bei der die besten 20 Vierkämpfer aus Deutschland in einer Altersklasse gewertet wurden. 

Nach Gehorsam und Hürden war ich in Führung. Da es bis zum Morgen sehr stark regnete und der Boden sehr weich und tief war, versemmelte ich den ersten Slalomlauf völlig, weil ich nur noch rutschte. Als einige an mir vorbeizogen, steigerte ich mich im zweiten Lauf um eine Sekunde auf 14,70 und war wieder im Spiel. Im ersten Hindernislauf hatte Askhan große Probleme mit dem tiefen Boden und wir liefen nur eine Elferzeit. Auch hier war es eine große Steigerung im zweiten Durchgang, die uns zurück auf das Podest brachten. Am Ende wurde ich mit 285 Punkte punktgleich Zweiter. Nach heutiger Ausführung wären das rund 288 Punkte wert gewesen. 

Für mich gilt, dass ein Kampf um Positionen gegen gleichstarke oder stärkere Konkurrenz immer interessanter ist als ein Titel, bei dem man nur absichern muss, um zu gewinnen.

Welche der THS-Disziplinen liegt dir besonders am Herzen und warum?

Meine Wunschdisziplin wäre ein Fünfkampf, bestehend aus dem klassischen VK + 1.000-m-Lauf. Da es den (noch) nicht gibt, ist es der klassische VK, weil durch den Gehorsam die Anforderungen sehr Vielseitigkeit werden.

Albrecht Heidinger und sein THS Hund Australian Shepard Coco. Seine sonstigen Hunde für den Turnierhundsport waren immer Boxer.

Fragen an den THS-Trainer Albrecht Heidinger: Trainingsphilosophie, Eigentraining und mentale Stärke im Hundesport

Dein Trainingsansatz zeichnet sich durch Akribie, Analyse und Zielorientierung aus. Dein Stil ist sicher nicht für jeden Hundesportler geeignet. Was macht deiner Meinung nach einen „guten“ Sportler aus?

Vorneweg: Ich leite unsere Trainingsgruppe zusammen mit Matthias Ehrismann (u.a. 3. der VDH-DM im VK 2023). Und noch eine kurze Ausführung zum Trainingsansatz. Deiner Beschreibung würde ich nicht widersprechen, um es aber verständlicher zu machen folgende Ergänzungen: Um einen möglichst hohen Trainingseffekt und schnellen Fortschritt zu erzielen, versuche ich meine Teams, immer an ihre Grenzen zu führen, um einen höchstmöglichen Trainingseffekt zu erzielen.

Die Herausforderung dabei ist, gerade an die Grenzen zu kommen und sie nicht zu überschreiten. Deshalb ist mir eine exakte Ausführung nach meinen Vorgaben enorm wichtig. Für einen Hund, der nicht sicher an den Hürden ist, sind das dann zum Beispiel vier Hürden im Wettkampftempo, die durch drei Läufe zuvor vorbereitet wurden. Wird in der Vorbereitung nicht exakt gearbeitet, geht natürlich auch der Durchgang im Wettkampftempo schief. Es gibt sicherlich auch andere Konzepte, wo deutlich längere Zeit und mit viel mehr Wiederholungen in der Grundlage gearbeitet wird, bevor es ins Tempo geht.

Bei der Frage, was einen guten Hundesportler ausmacht, würde ich das „gut“ gerne durch „interessant“ ersetzen. Mich begeistern Teams, die bereit sind, gemeinsam mit mir auf eine Reise zu gehen und sich dabei stetig weiterentwickeln. Dabei ist es mir wichtig, dass der Hundeführer eine gute Bindung zu seinem Hund aufgebaut hat und er ein Gespür besitzt, wie er auf seinen Teampartner eingehen soll. Allein mit welcher Intensität ein Hörzeichen gegeben oder ein Tempowechsel ausgeführt wird, kann eine Übung zunichtemachen oder sie optimal wirken lassen.
Weiterhin ist ein gesunder Ehrgeiz notwendig, also die Bereitschaft und der Wille, an sich zu arbeiten. Das schließt aber auch mit ein, mit sich und dem Hund einmal gnädig zu sein und nicht über das Ziel hinausschießen.

Last but not least gehört ein gegenseitiges Vertrauen dazu, ansonsten kann eine Trainingsbeziehung im Leistungssport nicht funktionieren.

Im Gegensatz dazu faszinieren mich als Zuschauer vor allem Teams, bei denen die Hunde harmonisch und sicher mitlaufen, obwohl sie sich am Limit bewegen. Als Trainer finde ich diese Teams weniger interessant, weil sie schon sehr ausgereift sind.

Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus?

Wir trainieren zwei Mal pro Woche mit Hund. Die Teams mit dem Fokus Sprint-VK trainieren zusätzlich sonntags in der CaniCross-Gruppe mit. Leistungsorientierte Vierkämpfer sollten ein zusätzliches Sprinttraining machen. Neben dem Gehorsam haben die einzelnen Trainingseinheiten in den Laufdisziplinen dann entweder den Fokus auf Hürden- oder Slalomlauf. Ich bin ein Freund davon, nicht zu viele Reize zu setzen, weil diese sonst nicht verarbeitet werden können. Ergänzt wird das Ganze noch durch ein Hindernis- oder Sprinttraining.

Als Spitzensportler muss man lernen, mit großem Druck umzugehen. Wissenschaftlich ist bekannt, dass eine positive Einstellung eine entscheidende Rolle spielt. Wie bereitest du deine THSler mental darauf vor, am Tag des Wettkampfs Höchstleistungen zu erbringen?

Albrecht Heidinger beim Hindernislauf des Turnierhundsports. Sein Boxer überquert die Tonne des Hinderlaufs im THS

Meiner Erfahrung nach können Teams, die Wettkampfsituationen bereits aus anderen Sportarten kennen, viel einfacher mit Wettkämpfen umgehen. Der Wettkampf ist für sie mehr eine Belohnung des Trainings als eine Last. Um sich in diese Richtung zu bewegen, arbeiten wir viel über Routinen, die zum Beispiel beim Aufwärmen in jedem Training geübt werden und am Wettkampftag genauso ablaufen. Dadurch bekommen die Teams Sicherheit, weil sie genau das gleiche machen wie im Training.

Natürlich sollte man auch seine Schwachpunkte kennen und wissen, wie man mit ihnen umgeht. Nullfehlerläufe sind immer noch die Grundvoraussetzung für gute Ergebnisse.

Ein weiterer Aspekt ist, die Wettkampfsituation bereits im Training zu simulieren. Da arbeite ich durchaus mit Überraschungseffekten, damit die Teams aus dem Trainingstrott herauskommen. Eine Stoppuhr mit entsprechender Zeitvorgabe bewirkt teilweise erstaunliches, vor allem wenn klar gemacht wird, dass es nur eine Chance für einen erfolgreichen Durchgang gibt.

Deine Kinder Leandro und Chiara sind ebenfalls aktive und leidenschaftliche THS-Sportler. Woran werdet ihr in der nahenden Winterpause arbeiten?

Das Training für Coco wird sich stark verändern. Zum einen, weil die VDH-DM in Sülfeld Leandros letzter Wettkampf war. Das hat sicherlich viele Gründe, angefangen bei der fehlenden Konkurrenz bis hin zu den langen Wettkampftagen /-Wochenenden. Für Coco wird es jetzt aber einfacher, weil sie sich nur noch auf ein Tempo einstellen muss, das Tempo niedriger wird und sie regelmäßiger mit Chiara trainieren kann. Da es für Coco bereits das fünfte Wettkampfjahr wird und sie in vielen Bereichen nahezu ausgereift ist, gibt es in den Laufdisziplinen auch gar nicht mehr viel zu tun. Vielleicht könnte das engere Umlaufen der Wendestange im Hürdenlauf ein Detail sein.

Der Umfang wird insgesamt auch eher niedrig sein, weil Chiara gerade das Leichtathletiktraining stark forciert. Mit ihrem neuen Trainerteam ist das Ziel, auch hier bei Deutschen Meisterschaften mitzumachen.

Etwas anderes ist es im Gehorsam: Coco hat den Vorteil, dass sie sehr konstant ist. In den technischen Übungen hat sie zum Beispiel seit zwei Jahren keinen Fehler mehr gemacht. Es gibt aber Bereiche, in denen sie exakter arbeiten könnte. Um regelmäßig in den Bereich zwischen 56 bis 58 Punkte zu
kommen, ist viel Arbeit notwendig. Dafür haben wir noch keinen Plan, ggf. werden wir uns aber auch noch Impulse von außen dafür holen.

Du bist, genau wie ich, früher auch in der Leichtathletik aktiv gewesen. Im Sprintbereich hebst du oft die große Bedeutung der Frontside Mechanics hervor. Welche drei Übungen aus der Leichtathletik würdest du jedem THSler empfehlen?

Egal, ob man den Fokus auf Frontside (alles was passiert, um ein Bein nach vorne zu bringen bis zum Bodenkontakt) oder Backside (die Rückwärtsbewegung des Beines über Anfersen anstatt Unterfersen) legt, folgende Grundlagen werden immer benötigt:

  • Fußaufsatz mit angezogener Fußspitze, die über den ganzen Fuß in eine scharrende Bewegung übergeht (so wie es auch ein Pferd macht)
  • Ein stabiler Rumpf. Hier helfen Koordinationsübungen mit gestreckten Armen
  • Parallele Armführung mit abgewinkeltem Ellenbogen, um Seitwärtsrotationen zu vermeiden

Wichtig noch: Wenn man schneller werden will, muss man schnelle Bewegungen ausführen.

Hindernislauf des Turnierhundsport Albrecht Heidinger mit seinem Boxer

Abschließend: Wie schätzt du die Leistungsentwicklung im THS in den letzten Jahren ein?

Die Breite und Spitze hat gegenüber den Jahren 2005 bis 2015 in vielen Bereichen abgenommen. Ein Grund sind sicherlich fehlende internationale Wettkämpfe, damit die Motivation bei den Top-Teams erhalten bleibt, auch den nächsten und übernächsten Hund leistungssportlich im THS zu führen. Das passiert viel zu selten. Im Gegensatz dazu ist es im CaniCross normal, die nächste Hundegeneration nahtlos heranzuführen.

Mit dem S-VK gibt es jetzt aber eine Alternative, wo eine Trendwende eingeleitet werden könnte. Vor allem bei der weiblichen Jugend gibt es eine Handvoll Sportlerinnen, die absolutes Top-Niveau haben und zum Teil stärker sind als die besten Aktiven. Um das weiter zu stärken, brauchen wir deutlich mehr qualifizierte Trainer, denn auf den Bäumen wachsen diese Talente nicht.

Last but not least drehen wir den Spieß um: Welche Frage willst du mir stellen?

Familie, zwei Kinder und schon eine erfolgreiche THS-Karriere hinter Dir: Was motiviert Dich, weiterhin leistungssportlich aktiv zu sein?

Vielen Dank für diese spannende Frage!
Die Antwort wird etwas ausführlicher, da das Thema sehr viele Facetten hat.

Ich beschäftige mich intensiv mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie, Beruf und anderen Lebensbereichen. Dabei spielt auch die faire Aufteilung von Care-Arbeit eine zentrale Rolle. All das ist ein wesentlicher Bestandteil meiner Motivation. Gerade als schwangere Frau oder Mutter wird man oft mit Glaubenssätzen konfrontiert, die mehr über die Grenzen des Gegenübers aussagen als über die eigenen.

Sport begleitet mich schon mein ganzes Leben. Mit fünf Jahren begann ich in der Leichtathletik, die ich später sogar als Leistungssport betrieben habe. Den Turnierhundsport (THS) sehe ich seit jeher durch die Brille eines leistungssportlichen Ansatzes. Als ich das erste Mal schwanger wurde, habe ich mir fest vorgenommen, meinen Sport so lange wie möglich weiterzumachen. Für mich selbst, für meinen Hund Ayx und als Vorbild für mein Kind. Glücklicherweise hatte ich eine Schwangerschaft, die das erlaubte. Auch während der Schwangerschaft mit meinem zweiten Kind blieb ich aktiv im THS. Im siebten Monat konnte ich mit Ayx den 16. Platz mit 269 Punkten und 4 Fehlern erreichen. Ohne die Fehler wäre es sogar Platz 5 geworden. Das war ein besonderer Moment, der mir noch einmal klar gemacht hat, wie wichtig es ist, sich mental nicht durch äußere Erwartungen einschränken zu lassen.

Meine Motivation für den Hundesport „trotz“ oder gerade wegen der Kinder entspringt also mehreren Aspekten: meiner großen Leidenschaft für den THS, dem sportlichen Bedürfnis meines Hundes und dem Wunsch, verschiedene Rollen zu vereinen. Nur weil man Mutter ist, muss man sich nicht vollständig verändern. Ohne Hundesport wäre ich nicht ich.

Natürlich ist das alles nur möglich, weil die Rahmenbedingungen stimmen. Mein Mann unterstützt mich sehr, wofür ich ihm unglaublich dankbar bin. Ihm liegt Gleichberechtigung in der Care-Arbeit und im Beruf genauso am Herzen wie mir. Trotzdem muss man Kompromisse eingehen. Meine heutigen Trainingseinheiten sind mit früheren Trainings nicht vergleichbar. Sie sind kürzer, unstrukturierter und oft von der Situation mit der Kinder abhängig. Häufig trainiere ich abends, wenn ich vom Tag ohnehin erschöpft bin. Und nach einer der vielen Kinderinfekte die man sich einfängt, kämpft man sich quasi ständig zurück. Das mental zu akzeptieren, ist eine Herausforderung, die ich vor der Geburt meiner Kinder so nicht auf dem Schirm hatte.

Ein weiterer Grund für die Weiterführung des Turnierhundsports ist, dass Hundesport und die Arbeit mit Hunden mein Beruf geworden sind. Dabei halte ich es für essenziell, mit dem eigenen Hund aktiv zu sein, wenn ich als Hundesportlerin und -trainerin ernst genommen werden möchte. Ich betone dabei bewusst „aktiv“ und nicht „erfolgreich“, denn für mich zählt nicht nur das Ergebnis. Gerade da die Rahmenbedingungen bei jedem anders sind.

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